Montag, 5. Dezember 2016

Genossenschaften sind Immaterielles Kulturerbe


Der Zwischenstaatliche Ausschuss der UNESCO zum Immateriellen Kulturerbe hat am 30. November in Addis Abeba die Idee und Praxis der Genossenschaft als ersten deutschen Beitrag in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Die Genossenschaft ist eine allen offen stehende Form der gesellschaftlichen Selbstorganisation, ein Modell der kooperativen Selbsthilfe und Selbstverantwortung.
Weltweit wirken etwa 800 Millionen Genossenschaftsmitglieder in über 100 Ländern an ihrer Umsetzung und der Weitergabe des Wissens rund um diese Organisationsform mit, 21 Millionen davon in Deutschland. Die hohe Anzahl von Genossenschaftsmitgliedern in Deutschland und die rechtliche Absicherung ihrer Grundsätze durch ein Genossenschaftsgesetz sind im internationalen Vergleich Besonderheiten.
Prof. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: „Genossenschaften gibt es auf der ganzen Welt. Ihre Arbeit ist eine Antwort auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen. Sie leisten einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung beispielsweise durch Armutsreduzierung über lokale Beschäftigung und soziale Integration. Ich freue mich sehr, dass diese erste deutsche Nominierung das Völkerverbindende in den Vordergrund stellt. Die Kulturform der Genossenschaften verbindet uns mit Menschen auf der ganzen Welt!“
Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters: „Die Genossenschaftsidee und -praxis ist durch ihre weite Verbreitung für uns in Deutschland eine gesellschaftsprägende Kulturform. Jeder vierte Deutsche ist Mitglied einer Genossenschaft. In der Kultur- und Kreativszene erleben Genossenschaften in den letzten Jahren einen wahren Gründungsboom: von Kinos und Filmverleihen über Theater, Orchester, künstlerische Proberäume, Ateliers und Soziokulturelle Zentren bis hin zu Netzwerken der Kultur- und Kreativwirtschaft. In Genossenschaften begegnen sich die Menschen als Miteigentümer am gemeinsamen Projekt auf Augenhöhe. Das fordert und fördert  Engagement, Gestaltungswillen und Solidarität.“
Claudia Bogedan, Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Bremens Senatorin für Kinder und Bildung: „Die Anerkennung der Genossenschaften als Immaterielles Kulturerbe belegt den Beitrag Immateriellen Kulturerbes zu sozialem Zusammenhalt. In Genossenschaften kommt bürgerschaftliches Engagement jenseits von privaten und staatlichen Wirtschaftsformen zum Ausdruck. Die Genossenschaftsfamilie verstand sich von jeher als eine an sozialen Werten orientierte Bewegung, die auf ideellen Grundsätzen wie Solidarität, Ehrlichkeit, Verantwortung, Demokratie aufbauend eine alternative Wirtschaftsform bildet.“
Prof. Dr. Christoph Wulf, Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission: „Die Genossenschaftsidee und -praxis ist in Deutschland eine lebendige Tradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Genossenschaften bringen Menschen mit gemeinsamen Interessen ohne Gewinnerzielungsabsicht zur Erreichung gemeinsamer Ziele zusammen. Das hat eine enorme kulturelle Bedeutung, die nun auch auf internationaler Ebene anerkannt wurde. Ich freue mich, dass die Aufnahme der Genossenschaftsidee und -praxis in die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes das Verständnis des gelebten kulturellen Erbes erweitern wird.“

Genossenschaften in Deutschland

Eine Genossenschaft ist eine freiwillige Vereinigung von Menschen mit gleichen Interessen, die individuelles Engagement und Selbstbewusstsein fördert und soziale, kulturelle und ökonomische Partizipation ermöglicht. Mitglieder werden durch den Erwerb von Genossenschaftsanteilen zu Miteigentümern. Ihre von der Zahl der erworbenen Anteile unabhängige Stimme sichert ihnen Mitbestimmung und die Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung zu. Dies ist ein besonderer Ausdruck von Solidarität und gemeinsamer Verantwortung. Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen legten Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland wichtige Grundlagen für die heutige Genossenschaftspraxis. 

Hintergrundinformationen zum Immateriellen Kulturerbe

Der Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe setzt sich aus 24 gewählten Vertragsstaaten der Konvention zum Immateriellen Kulturerbe zusammen. Er entscheidet jährlich über die Aufnahme neuer Kulturformen in die Listen des Immateriellen Kulturerbes. Bisher sind 336 Formen des Immateriellen Kulturerbes auf der internationalen Repräsentativen Liste eingetragen, 43 Elemente auf der Liste des dringend erhaltungsbedürftigen Immateriellen Kulturerbes und zwölf gute Praxisbeispiele zur Erhaltung Immateriellen Kulturerbes. Kriterien für die Anerkennung sind unter anderem eine nachweisbare Lebendigkeit und eine identitätsstiftende Komponente für die Trägergemeinschaft der Kulturform, die Entwicklung von Erhaltungsmaßnahmen, eine weitreichende Beteiligung der Trägergemeinschaft und die Eintragung in ein nationales Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes. Mit der Einschreibung verpflichten sich die Vertragsstaaten, das Immaterielle Kulturerbe auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet zu fördern.
Zum Immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. Seit 2003 unterstützt die UNESCO den Schutz, die Dokumentation und den Erhalt dieser Kulturformen. Bis heute sind 171 Staaten dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes beigetreten. Deutschland ist seit 2013 Vertragsstaat.

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